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Musik und Politik zusammengedacht

Mittwoch, 22. November 2023

Nach 37 Jahren verabschiedete sich mit Anne Tübinger die Gründerin und treibende Kraft des Ernst-Bloch-Chors.

[...] ausverkauft. Mit Anne Tübinger und dem Ernst-Bloch-Chor trat ein Schwergewicht der Tübinger Kulturszene an [...]. Für das umfassende, auch politisch stets engagierte Werk des Chors stand bereits das Werk, das den Abend eröffnete. „Was ist uns das Eigene“, hieß es, [...] versammelt eine internationale Collage aus Freiheits- und Revolutionsliedern. Bunt auch und damit ein Blickfang die Kleidung der Sänger und Sängerinnen [...]

Der Abend war in vier Themen aufgeteilt. Zu „Was ist uns das Eigene“ gehörte auch „Unbestimmte Zahlwörter“ nach einem Text von Rudolf Wiemer. „Alle haben gewusst, viele haben gewusst, manche haben gewusst“, heißt es da, und von einem kalten Klavierton von Sabine Joß begleitet endet es mit einem „keiner hat gewusst.“

Tatsächlich trifft auf die hohe Qualität des Chors der Spruch zu, die könnten auch das Grundgesetz vorsingen, und es würde funktionieren. Und das taten sie auch [...]

Bereits als der Chor und Anne Tübinger die Bühne betraten, gab es stehende Ovationen. Thomas Potthast erinnerte [...] an die damals herrschenden politischen Umstände in Deutschland und weltweit: „Die 68-Jahre wirkten nach, Kohl hatte eine geistig-moralische Wende verkündet und die AKW waren strittig.“ [...]

„Gegen jede Hoffnung“ hieß der zweite Teil. „Im Exil“ vertonte einen Text von Mascha Kaléko von 1945. [...] Und „Der Pass“ von Bertolt Brecht [...] am E-Bass dumpf begleitet. „Was ist der Mensch ohne einen Pass?“, [...] Und der Mensch könne noch so gut sein, und nie anerkannt werden – ein Pass aber schon. Und dazu sang der Chor [...] als besinge man Speiseeis im Hochsommer.

Eine der Stärken der Komponistin [...] ist ja das Verfremden der Texte durch ihre Musik. Das kann dazu führen, dass man sich klanglich in einem inhaltlichen Schrecken sonnt als Zuhörer. Großartig auch ihr musikalisches Mantra „Steter Tropfen“ [...]: nie aufgeben. [...] Davor hatte Dieter Krug mit „Levantate“ noch ein wunderbares Intermezzo an der Sologitarre beigetragen.

„Einmal sollte man“ war Teil drei des Abends überschrieben. Damit und mit „Alltags-Revue“ [...]: Klima, Sonderangebote, Energieprobleme wurden abgehandelt, Joß begleitete am Klavier. Ein Höhepunkt dann „Unruhe und Wachtraum“, eine Ansammlung von Textzitaten aus Blochs „Geist der Utopie“, die Dieter Koller als Collage zusammen gestellt hatte.

[...] Der vierte, optimistische Teil des Abends, „Gute Zukunft“ überschrieben, brachte ganz zum Schluss das Lied „Gemeinsam.“ Darin heißt es, ganz zur Solidarität verpflichtend, „Vergesst nicht Freunde, wir reisen gemeinsam“, und: „es ist unsere gemeinsame Welt.“ In einem wunderbaren Bilder- und Musikbogen präsentierte der Chor mit seiner Gründerin eine beeindruckende, imposant- weitgefächerte Abschiedsvorstellung. Das Publikum war begeistert, feierte Chor und Leiterin und forderte Zugaben – die gab es dann auch reichlich.

Werner Bauknecht, Opens external link in new windowSchwäbisches Tagblatt 22.11.2023
Foto Anne Tübinger: Ulrich Metz


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